Buchempfehlung: «Warum Nationen scheitern» von D. Acemoglu & J. A. Robinson

Warum sind einige Nationen reich und andere arm? Wodurch entsteht die krasse Ungleichheit in der heutigen Welt? Wie soll man der Ungleichheit, die enormes Potenzial vernichtet, begegnen?

Starökonom Daron Acemoglu und Harvard-Politologe James Robinson geben eine ebenso schlüssige wie eindrucksvolle Antwort auf diese Fragen. Anhand zahlreicher, gut greifbarer Beispiele – von den Konquistadoren über die Industrielle Revolution, von Sierra Leone über England nach China – zeigen sie auf, mit welcher Macht Eliten Wohlstand und Armut beeinflussen. Ihre Aussagen sind sowohl im politischen als auch im unternehmerischen Kontext gültig. Acemoglu und Robinson leiten aus ihren Beobachtungen im Wesentlichen zwei Pfeiler für positive Entwicklung ab: Inklusive Organisationsformen und ein gewisses Mass an Zentralisierung.

Inklusive Institutionen

Arme Länder sowie wenig nachhaltig erfolgreiche Organisationen basieren hauptsächlich auf extraktiven Institutionsformen, die Macht bündeln und nicht öffentlich zugänglich machen. Sie schliessen viele Menschen von der Entscheidungsfindung aus, die ihrerseits in einem prekären Kreis von Abhängigkeiten gefangen sind und ihr Leben damit fristen, zu überleben, während einige wenige sehr reich werden.

Reiche Staaten und Unternehmen haben ihren Reichtum der Tatsache zu verdanken, dass es ihnen gelungen ist, inklusive Institutionen aufzubauen, bei der Macht auf viele verteilt ist. Inklusive Institutionen erschliessen das Potenzial von Märkten, fördern technologische Neuerungen, investieren in Menschen und mobilisieren die Talente und Fertigkeiten einer möglichst grossen Zahl von Individuen.

Viele Neuerungen finden nicht statt, weil die Machtelite Angst vor den Konsequenzen hat. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: in vielen Ländern Afrikas – aber auch zu Zeiten der Industriellen Revolution in Europa – wurde der Einsatz moderner Landwirtschaftsgeräte untersagt, aus Angst, dass den Menschen dann die Arbeit ausginge und Unruhen entstünden. So wurde Fortschritt verhindert und die Elite konnte ihrerseits frei weiterhin über die Ressourcen verfügen.

Um also Wohlstand nachhaltig zu sichern, brauchen wir Menschen an den Schalthebeln der Macht, die erkennen, dass es besser ist, Macht zu teilen, als die Macht an sich zu reissen.

Zentralisierung

Inklusive Organisationen bedeuten jedoch keine absolute Freiheit der am System teilnehmenden Menschen. Sie machen, im Gegenteil, einen gewissen Grad an Zentralisierung erforderlich, damit Recht und Ordnung durchgesetzt, Eigentumsrechte gesichert und wirtschaftliche Aktivitäten gegebenenfalls durch Investitionen angekurbelt werden können.

Entwicklung findet nur statt, wenn sie sich für Einzelne lohnt. Wer fürchten muss, dass seine Ideen geklaut werden oder er bei einem negativen Feedback um seine Position – im Extremfall gar um sein Leben – gebracht wird, der bewegt sich nicht. Entsprechend braucht rechtlich für alle bindende Normen, wie etwa Compliance-Regeln oder den Schutz von geistigem Eigentum. Die Macht, solche Rahmenbedingungen zu erstellen und durchsetzen zu können, haben in der Regel nur zentralisierte Organisationen.

Wichtig ist jedoch die Balance: Absolutismus ebenso wie Handelshemmnisse blockieren Entwicklung, da sie keine Anreize für Wettbewerb schaffen. Zu viel Freiraum schafft keine koordinierte Entwicklung. Wohlstand wird also durch ein gesundes Wechselspiel von zentralisierter Kontrolle und lokaler Mitsprache geschaffen.

Schlussfolgerung

Was können wir aus dem wichtigen Buch lernen? Es ist ein äusserst lehrreiches Beispiel dafür, wie Macht in Organisationen richtig eingesetzt werden kann. Wer Macht in inklusiven Organisationsformen teilt und gleichzeitig sicherstellt, dass eine gewisse, zentrale Kontrolle bestehen bleibt, ist langfristig erfolgreicher. Wir tun gut daran, über diese Balance in unseren Unternehmen zu diskutieren.

Aktuell beobachten wir in vielen Organisationen eine Tendenz, immer mehr zum «Zentralstaat» zu werden und durch zu viel Controlling, Prozesse und Meetings Entwicklung und Eigeninitiative der Menschen eher zu hemmen, denn zu fördern. Das ist schädlich für Wachstum und Wohlstand. Wichtig ist auch, die Hintergründe für die steigende Ungleichheit aufzudecken: Veränderungen tun immer weh, sowohl den Machthabern als auch den Ohnmächtigen.

Wenn wir jedoch glauben, Transformation durch vermehrte Normen und Kontrolle verhindern zu können, würgen wir Entwicklung ab. Es lohnt sich also, basierend auf den weitreichenden Beobachtungen von Acemoglu und Robinson, im eigenen Unternehmen die Diskussion zu führen, wie wir Grenzen überwinden und Menschen vermehrt in die Verantwortung für die eigene Entwicklung nehmen können. Eine wirkungsvolle Methode, dies im Unternehmen zu tun, ist die Immunity to change, die sich in der Methodenbox befindet und frei von allen Ambassadoren angewendet werden kann.

Michael Kres

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